Arbeitsbereiche



1. Arbeit, Technik und Gesellschaft

Arbeit ist der primäre Stoffwechselprozess zwischen Mensch und Natur. Gesellschaftliche Arbeit, ob als Lohnarbeit oder als Beruf mit akademischem Hintergrund, hat die Entwicklung der Gesellschaft in der Bundesrepublik und ebensosehr die sozialen Konflikte oder das Selbstverständnis von gesellschaftlichen Gruppen und Klassen als ein struktur-entscheidender Faktor geprägt. Anhand von drei Sozialenqueten - Ingenieure und Techniker in der Industrie (1972- 1975); - Hafenarbeiter in den bremischen Häfen, (1976- 1979), sowie  Belegschaftsinteressen in der Betriebsschließung, (1980- 83) - wird die elementare Bedeutung, gleichzeitig die sich wandelnde Rolle der Arbeitsverhältnisse in der Bundesrepublik deutlich gemacht.


Noch in den 50er Jahren wies die Arbeiterschaft in der Bundesrepublik Elemente eines eigenständigen (‚autochtonen’) Klassenbewusstseins auf.

An die Stelle dieser Einordnung der Arbeitenden nach Klasse und Hierarchie (‚Wir da unten - die dort oben’)  treten im Verlauf der 60er und 70er Jahre zunehmend der Betrieb und die innerbetriebliche Konflikt- sowie die Solidargemeinschaft als wichtige Orte der Ich- Findung. An die Stelle des Klassenkonflikts treten der Interessenausgleich sowie die Kooperations- und Kommunikationsdynamik innerhalb der Mitarbeiterebene; die Konflikte verlagern sich zunehmend auf die sozialpsychologische Ebene. Auch die Zugehörigkeit zum Betrieb bzw. zur Region (Corporate Identity) ist von Bedeutung.

Parallel und teilweise kontrastiv zu dieser sozial/ mentalen ‚Einwanderung’ der Arbeiterschaft in die bestehende Gesellschaft entdeckten die Intellektuellen nach 1968 die Arbeiterschaft als Klassensubjekt.

Im Verlauf der 80er Jahre rückt die Klassenfrage endgültig in den Hintergrund.

Mit der ökologischen Herausforderung und  dem Bewusstsein von der Risikoanfälligkeit von großen technischen Systemen verliert ein nur ökonomisch definierter Fortschritt seine Berechtigung.  Ausbildung und Bildungserfolg, bis dahin vorwiegend als Sprungbrett für die Berufslaufbahn verstanden, erhalten durch die Umweltthematik eine  zusätzliche Bedeutung als Regulative des Wissens. Ohne profundes Wissen entsteht allerdings keine ökologische Kompetenz.


Texte:

- Industriesoziologie. Berlin 1991: de Gruyter Lehrbuch

- Risikosoziologie in: H. Kerber und A. Schmieder (Hg.): Spezielle Soziologien. Reinbek bei Hamburg 1994: Rowohlt

- Umbrüche gesellschaftlicher Arbeit (mit W. v. Treeck). Sonderband 9/1994 der ‚Sozialen Welt’

  

2. Technik und Kultur

Wenn sich, hier am Beispiel der Klassenverhältnisse diskutiert, im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts, wider alle negativen Prophetien, ein markanter Trend zur Aufwärts- Nivellierung mit der Chance von vermehrtem Wohlstand und von mehr Partizipation herausbildete, so scheint, gewissermaßen auf der anderen Seite der Fortschrittsallee, eine lautlos vordringende Institutionalisierung der Preis für diese Zunahme an zählbarem Wohlstand zu sein. Das ‚eiserne’ Zeitalter bescherte dem Normalbürger einen Zuwachs an Kaufoptionen, an Mobilität und an räumlicher Expansion - dies zudem unter friedlichen Vorzeichen. Im Zuge dieses Wohlstandszuwachses steigt allerdings in gleichem Ausmaß der Anpassungs- und Beharrungsdruck, ausgelöst durch die technisch-administrative Apparatur. Wenn auch, um ein aktuelles Beispiel zu nehmen, derzeit scheinbar der Wille der Gesellschaftsmehrheit zum Atomausstieg das Gegenteil zu beweisen scheint, so spricht doch gleichzeitig alles dafür, dass die Technik im Zeitalter der Information längst nicht mehr nur als Regelwerk wirksam ist.

Auf  irritierende Art und Weise konvergieren in der heutigen Zivilisation Arnold Gehlens Theorie einer technischen Superstruktur (‚Die Seele im technischen Zeitalter’, rde 1957) und Max Horkheimers Verdikt vom Triumph  der instrumentellen Vernunft (,Zur Kritik der instrumentellen Vernunft‘, Erstveröffentlichung 1947).  Weniger in den gesellschaftlichen Superstrukturen, weniger in den zählbaren Daten der Sozialstatistik, mehr dagegen in den psychosozialen Kompromiss- und Reaktionsbildungen sowie in den (inter)subjektiven Deformationen des gesellschaftlichen Daseins zeigt sich in concreto der aktuelle Zeitgeist.


Texte:

- Arbeit und Ingenium. Überlegungen zu einer Soziologie der materiellen Kultur in: B. Schmitt, K. Hartmann, B. Krais. Über Grenzen. Neue Wege in Wissenschaft und Politik. Festschrift für Evelies Mayer. Frankfurt/M. und New York 1988: Campus

Die verlorene Spur - Arbeit am Stadtgedächtnis in E. Blauert (Hg.): Karl Friedrich Schinkels Berliner Bauakademie. Berlin 1996. Nicolai Verlag

Stichwort 'Technik. Sozialer Wandel in: Evangelisches Soziallexikon (Dahlhaus,Honecker u.A.). Stuttgart 2001: Kohlhammer Verlag

Dokumentarfilm:  Friedrich Schinkels Berliner Bauakademie. Videofilm. Kassel 1995

- Vom woher und wohin der gesellschaftlichen Mobilisierung in: Urbs et Regio. Kassel  61/1993

- Technik und Sozialwissenschaften: zwei fremde Kulturen in: Huber und Thurn (Hg.): Wissenschaftsmilieus. Wissenschaftskontroversen und soziokulturelle  Konflikte. Berlin 1993: edition sigma

-Vitrine, Triomphe, Miroir. Les Metamorphoses le l’Objet Industriel in : Le Spectacle des la Technique. Alliage no. 50/51. Nice 2000


3. Soziale Bewegungen und die Spur der Gewalt

Die sozialen Bewegungen waren ein wichtiger Faktor für die Entwicklung und die Eigenart der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Geht es im Falle der wirtschaftlich- technischen Struktur um die Grundlagen des Wohlfahrts- und Sozialstaats, so entwickelte sich in der politischen Öffentlichkeit der 60er, 70er und 80er Jahre ein Typ von Streit- und Diskussionskultur, welcher das Austragen der Generationenspannung (s.u.) sowie die Überwindung der deutschen Teilung möglich machte und ohne den hierzulande die Kultur eines europaweit wahrgenommenen ausgewogenen Pluralismus nicht denkbar wäre.

Der Weg zu einer pluralistisch ausbalancierten Öffentlichkeit musste auf allen Seiten neu gelernt werden. Der Autoritarismus, zäh eingelebtes Produkt der deutschen Untertanenmentalität, bestimmte in den beiden ersten Nachkriegsjahrzehnten das Handeln der Zwischenkriegspopulation. Eine ganze Generation, konfrontiert mit den Lasten der Vergangenheit, versteinerte im Schweigen.

Auch die nachwachsende 1968er- Generation konnte die ideale Gesellschaft nicht ‚herbeibeamen’. Innerhalb der sozialen Bewegungen wurde,nach einer antiautoritären Anfangshase, der politische Gegner schnell zum  Feindstereotyp. Ein geschlossenes Denken ohne Ausweg, mündend in die Spirale von projektiver Feindsetzung, pauschaler Schuldzuschreibung und Verfolgungsmanie verdrängte Analyse und Diskurs, die allein den Ausweg aus der verhängnisvollen Dynamik von Ressentiment, Hass und Gewalt gewiesen hätten. Individuelle Isolation und Sinnkrise, das besessene Festhalten an überkommenen Revolutionsmodellen ließen innerhalb der Jugendrevolte Züge einer kollektiven Paranoia aufkommen, welche in fataler Weise erinnerte an die chaotische Gewalt der europäischen Bürgerkriege zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Eine neue Barbarei voller Menschenverachtung, selbstermächtigt und ohne Eigenverantwortlichkeit entstand auf jenem Pflaster, unter dem nach gemeinsamer Vorstellung doch das Territorium einer befreiten Gesellschaft hätte liegen sollen. Man sollte sich nicht bei der Formel beruhigen, nur eine Minderheit hätte in den 70er Jahren die mörderische Gewalt ausgeübt. Die Sympathisanten der Mörder unter dem Revolutionssymbol zählten nach Tausenden. Auch die Vorstellung, die Gewalt sei immer und in jedem Fall nur aus dem Handeln der Herrschenden entsprungen und jede Art der Gegengewalt sei daher legitim, erweist sich als ein 1968er-Mythos; dieser lastet unaufgeklärt bis heute.


Texte:

- Avantgarde und Gewalt. Gratwanderungen zwischen Moderne und Antimoderne im 20. Jahrhundert. Hamburg 2007: Merus Verlag

- Utopie und Wahn in der 1968er- Bewegung in: S. Hartwig und I. v. Treskow (Hg): Bruders Hüter/ Bruders Mörder. Intellektuelle und       innergesellschaftliche Gewalt. Berlin 2010: de Gruyter

- Bildungsmisere und Gesellschaftskritik. Die ‚Leitwissenschaft Soziologie’ und die 1968er- Bewegung in F. Rickers und B. Schröder (Hg.): 1968 und  die Religionspädagogik. Neukirchen- Vluyn 2010: Neukirchener Theologie

- (Mit Chr. Klotter): Gewalt und Romantik. Jugendbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert. Verlag für Sozialwissenschaften ( VS- Verlag; im Erscheinen)


4. Bundesrepublik und DDR

Dokumentarfilm: Auf der Wacht für die DDR. Die Geschichte der innerdeutschen Grenze. Videofilm. NDR 2000

Texte: - Fremde Brüder. Der schwierige Weg zur deutschen Einheit. Berlin 2008: Duncker und Humblot


5. Bürgergesellschaft Deutschland. Ihre Kritiker, ihre Verächter

Texte:

- Der imaginäre Feind. Über Bruchstellen und Traumata des  kollektiven Bewusstseins in Deutschland in E. Schulz-Jander (Hg.): Schrift und Spur. Festschrift zum 40-jährigen Bestehen 1953-1993 der Gesellschaft für christlich- Jüdische Zusammenarbeit in Kassel e.V.. Kassel 1993: edition clavis

- The Imaginary Foe: On Traumata And Chasms In German Collecive Memory in D. Sciully (Ed): Comparative Social Research. Supplement 2. 1996: JAI

Press

- Wege zur Bürgergesellschaft. Gewalt und Zivilisation in Deutschland Mitte des 20. Jahrhunderts. Berlin 2005: Duncker und Humblot


6. Figuren der Zeitgeschichte

Texte: (mit R. Aurich und W. Jacobsen):

- Reineckerland. Der Schriftsteller Herbert Reinecker. München 2010. Verlag text und kritik

- Vom NS- Schriftleiter zu ‚Derrick’. Der Autor Herbert Reinecker (mimeo, unveröffentlicht)

Aktuelle Forschungsprojekte

            

Vorbei ist das Zeitalter der Utopien. Ausgeträumt sind die revolutionären Träume einer befreiten Menschheit, entzaubert sind die romantischen Phantasiewelten in den sozialen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Nur aus Schwäche halten Intellektuelle heute noch fest an der sozialistischen Zukunftsverheißung.  Bei klarem Verstand bleibt die Aufgabe, die Gründe für das Scheitern der kollektiven Hoffnungen zu analysieren und im Umkreis einer reflexiven Kultur die Chancen der autonomen Freiheit zu bewahren, wider alle Tendenzen zu einer Moral ohne Ecken und Kanten, ob nun unter protestantischem Vorzeichen oder als Derivat einer Propaganda der scheinbar einfachen Lösungen, ob nun in der Umweltfrage, im Geschlechterkonflikt oder wo auch immer.

Wenn nicht alles täuscht, stehen wir als Zeitgenossen vor einem nachhaltigen Ent-Subjektivierungsschub. Nach dem Scheitern der utopischen Bewegungen erweist sich das Bestehende wieder als scheinbar unausweichlich und bedrängend. Dazu zählen, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, der wirtschaftlich- bürokratische Komplex, des Weiteren eine mehr und mehr verschulte Ausbildung; hinzu kommt als Kulturverzehrer, eine permanente Verspaßung durch mediale Netze wie ‚Facebook’ und eine primär naturwissenschaftliche Hirnforschung, wo dem interaktiven Aspekt der psychosozialen Existenz und damit der menschlichen Kultur der Status einer Restgröße zugewiesen wird. Nicht nur die krisenhafte Ökonomie oder die ökologische Katastrophe, auch die Normalgesellschaft birgt in sich den Alptraum. Heute existieren nicht mehr jene bevorzugten Orte für Phantasie und Autonomie, die lange Zeit in den Sphären von Kultur und Bildung überlebten und aus denen immer wieder spontane Impulse für gesellschaftliche Veränderungen hervorgingen. Der ‚flexible Mensch’ (R. Sennett) sieht sich tendenziell überall und scheinbar ausweglos in den stählernen Schwingen der Leistungsschraube verfangen. Wiederum, wie immer in Zeiten einer überbordenden Objektivierung, steht allein die Sphäre der Kultur, in der Begegnung von theoriebezogener Forschung, literarischer Reflexion und autonomer Gruppenbildung, als Instanz der Bewahrung und Bewährung für  Subjektivität bereit.

Die Tyrannei der ‚Hier und Jetzt’ bedarf des kritisch- reflexiven Denkens als Medium einer alternativen Vernunft. Das Problem der sozialen Bewegungen als Gruppensubjekt bleibt auf der Tagesordnung. Es stellt sich in neuer Weise vor dem Hintergrund des postavantgardistischen Zeitalters.



Arbeiten in Planung


Nivellierte Moderne. Von der Möglichkeiten und der Unmöglichkeit gesellschaftlicher Gleichheit

Bürgerschaft Deutschland- Polis Europa. Das kritische Subjekt jenseits und diesseits des Realitätsprinzips

Soziale Bewegungen im post-avantgardistischen Zeitalter

Kunst als Gesellschaftskritik